„Der Job kann herausfordernd sein, aber ich sehe ihn als Bereicherung“ – Interview mit Harriet Ziegler

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Für Harriet Ziegler ist Gerechtigkeit ein Lebensthema – deshalb setzt sie sich für Chancengleichheit ein: „An den Strukturen zu arbeiten empfinde ich als sehr belohnend." (Bild: Harriet Ziegler/FAU)

Harriet Ziegler ist neue Referentin für Diversity Management an der FAU – und hat viel vor.

„Ich hatte schon immer sehr feine Antennen für Gerechtigkeit“, sagt Harriet Ziegler. Schon seit 2014 ist sie an der FAU tätig, zuerst als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Germanistik. Im Juli 2023 tritt sie dann eine neue Position an: Als Referentin für Diversity Management setzt sie sich gegen Diskriminierung und für Inklusion ein.

Dafür entwickelt die 35-Jährige gemeinsam mit verschiedenen internen und externen Kooperationspartner*innen konkrete Maßnahmen, um alle FAU-Angehörigen für Themen wie Barrierefreiheit, Machtmissbrauch oder Belästigung zu sensibilisieren und sie darüber aufzuklären. „Die Stelle ist eine proaktive Stelle, ich möchte dazu beitragen, dass auch Menschen in Führungspositionen sensibler mit möglichen Problemen umgehen“, erklärt Harriet Ziegler. Ihr Ziel: Alle Mitglieder der FAU sollen in einem diskriminierungsfreien Studien- und Arbeitsumfeld ihr einzigartiges und wertvolles Potenzial entfalten können – und zwar unabhängig von Geschlecht, ethnischer oder sozialer Herkunft, Alter, Religion, sexueller Orientierung oder Behinderung.

Dafür organisiert sie beispielsweise Schulungen und Workshops und treibt so die strategische und strukturelle Weiterentwicklung der Hochschule voran. Außerdem ist Harriet Ziegler eine weisungsungebundene Ansprechperson gemäß Art. 25 BayHIG. Damit ist sie die erste Anlaufstelle, wenn FAU-Angehörige bei Fällen von (sexueller) Belästigung und Diskriminierung eine Beratung brauchen.

„Wir alle stehen in der Verantwortung, etwas zu tun“ – Ein Gespräch mit Harriet Ziegler, Referentin für Diversity Management an der FAU

Warum brauchen wir an der FAU überhaupt jemanden, der sich um Diversity Management kümmert?

Es gab in den letzten Jahren eine schöne Entwicklung: Unsere Gesellschaft wird immer vielfältiger, und damit auch die Studierendenschaft. Dieses Miteinander funktioniert aber nicht immer von Anfang an reibungslos. Denn wenn verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Potenzialen zusammenkommen, gibt es auch Reibung. Deshalb ist es wichtig, an dieser Stelle anzuknüpfen. Also beispielsweise transparent zu machen, dass das Miteinander neu gestaltet werden muss – da sehe ich die Notwendigkeit etwas zu tun. An der FAU gibt es das Diversity Management schon seit 2012 und es wurde seitdem immer weiter ausgebaut. Das ist auch wichtig, denn es ist im Bereich Vielfalt und Chancengleichheit die zentrale Schnittstelle zwischen Hochschulleitung, Studierenden und dem gesamten wissenschaftlichen und wissenschaftsstützenden Personal. Das Diversity Management ist also eine zentrale Einrichtung, die die Querschnittsthemen Chancengleichheit, Internationalisierung, Nachhaltigkeit und Digitalisierung durchdringt und mitgestaltet. Damit das gelingt, stehen wir aber alle in der Verantwortung.

Angenommen, jemand meldet sich mit einem Problem oder Anliegen bei Ihnen – wie sieht es mit der Anonymität aus?

Die Gespräche sind absolut vertraulich und auf Wunsch auch anonym durchführbar. Es wird nichts gegen den Willen der beratenen Person unternommen, die Daten werden nicht weitergegeben. Die beratene Person hat stets die Zügel in der Hand und entscheidet, ob und was im Weiteren passiert.

Und wie kann so eine Erstberatung beispielhaft aussehen?

Das ist je nach Wunsch der zu beratenden Person ganz unterschiedlich. Ein Gespräch kann sowohl am Telefon oder über Zoom stattfinden als auch persönlich unter vier Augen. Meist wenden sich die Menschen mit einem großen Leidensdruck an mich, nachdem ein Problem schon eine längere Zeit besteht. Ich gebe mir viel Mühe, eine ruhige und sichere Atmosphäre zu schaffen, nehme mir Zeit und höre gut zu. Sie dürfen zunächst erzählen, und ich stelle eventuell Rückfragen, um das Geschehene zu sortieren, bohre aber nicht nach. Dann loten wir gemeinsam die Handlungsoptionen aus – was kann helfen, was ist von der Person gewünscht? Je nach Situation kann das zu konkreten nächsten Schritten führen, also dass beispielsweise ein Gespräch mit dem*der Vorgesetzten gesucht oder eine offizielle Beschwerde eingereicht wird. Manchmal ist weitere Beratung notwendig – juristisch, psychologisch, fachlich –, dann verweise ich an die entsprechenden Einrichtungen, gebe Informationen an die Hand. Manchmal genügt es aber auch, die Situationen im Gespräch mit mir als wohlwollender, neutraler Instanz zu sortieren, um sie neu zu bewerten. Dann muss auch nichts weiter geschehen.

„Es hat mich schon immer gestört, dass viele Dinge in der Praxis nicht so gut laufen“, sagt Harriet Ziegler. „Oft denken Menschen, das liegt an ihnen selbst – dabei sind es meist strukturelle Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten, die dazu führen.“ (Bild: Harriet Ziegler/FAU)

Was macht Ihre Arbeit für Sie so spannend?

Kein Tag ist wie der andere! Durch die vielen unterschiedlichen Aufgaben arbeite ich mit verschiedensten Menschen aus allen möglichen Bereichen, egal welche Position sie innehaben. Dadurch treffe ich viele spannende und wunderbare Menschen, lerne über ihre Erfahrungen, Lebensrealitäten und Fachbereiche. Das kann auch mal herausfordernd sein, aber ich bin sehr offen und kontaktfreudig – deshalb sehe ich es als Bereicherung. Selbst den schwierigeren Bereichen meiner Tätigkeit, wie den Beratungsgesprächen, kann ich so Positives abgewinnen. Denn es berührt mich und macht mich sehr stolz zu sehen, wie Menschen mutig für sich und ihre Belange einstehen. Generell empfinde ich die Tätigkeit als eine sehr sinnstiftende: Die Vision einer gerechten und diskriminierungsfreien Universität spiegelt für mich auch ein gesellschaftliches Idealbild.

Das sind ganz schön große Pläne. Wie geht es jetzt genau weiter?

Tatsächlich ist sehr viel in Planung, im Kleinen und im Großen! Ein paar Beispiele:
Die Bereiche Diversity und Antidiskriminierung werden stärker in den Fakultäten verankert. Dafür sollen an jeder Fakultät Diversitätsbeauftragte installiert werden. Damit setzen wir das 2022 verabschiedete Diversitätskonzept um. Und auch im Bereich Inklusion stehen größere Projekte an. Es gibt beispielsweise keine Handreichung dazu, wie man als lehrende Person Studierenden mit Behinderung gerecht wird. Da geht es um Themen wie: Welche Rechte hat die Person? Was kann ich tun, damit die Studierenden dem Lernstoff möglichst gut folgen können? Bisher muss man sich eigenständig durch viele Websites klicken und herumtelefonieren. Deshalb möchte ich gerne alle relevanten Informationen zentral zusammenbringen.
Außerdem startet das BGD mit #FAUrespekt im Herbst eine Kampagne gegen sexuelle Belästigung, auch mit Beiträgen, die Studierende gestalten. Und wir bieten bewährte Workshops und Formate an, wie eine Veranstaltung zum Karriereeinstieg mit Beeinträchtigung, die Studierende und Arbeitgeber*innen zusammenbringt, oder einen Workshop für Erstakademiker*innen unter Leitung eines renommierten Theaterpädagogen. Man darf gespannt bleiben!